Rezension - Mein Herz ist eine Krähe

 Mein Herz ist eine Krähe hoch oben in einem Baum. Mal krächzt sie in der Ferne, mal kommt sie näher. 


A L L G E M E I N E S

Titel: Mein Herz ist eine Krähe [Originalausgabe: Dit du går, följer jag]

Autorin: Lina Nordquist (Übersetzung von Stefan Pluschkat)

Copyright Cover @Diogenes

Verlag: Diogenes

Erscheinungsdatum: 27.09.2023 [2021 in Schweden]

Preis: 25,00€ (Hardcover)

Seitenzahl: 464

ISBN 978-3-257-07261-7

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Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Diogenes Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst aber in keinster Weise meine Meinung.


I N H A L T

Der Klappentext:

Norrland um 1900: Unni, Armod und der kleine Roar mussten überhastet aus Norwegen fliehen. Inmitten der blauen Berge und dunkelgrünen Wälder Hälsinglands finden sie ein neues Zuhause. Doch die brutalen Launen der Natur und des Landbesitzers lassen die kleine Familie kaum Frieden finden. Mehr als 70 Jahre später plant Kåra die Beerdigung ihres Schwiegervaters Roar. Was ist damals wirklich passiert? Und welche Geheimnisse verbinden Kåra und Unni über die Jahrzehnte hinweg?

1973 sitzen sich im gleichen Haus zwei Witwen gegenüber. Zwischen ihnen die Toten und ein Graben aus Geheimnissen und Schweigen. Und all die Geschichten, die noch erzählt werden müssen.


M E I N E   M E I N U N G

Das Buch wurde im vergangenen Jahr als Buch des Jahres in Schweden ausgezeichnet. Aus diesem Grund war ich sehr neugierig auf den Roman und habe mich sehr gefreut, dass er seit Herbst nun im deutschen Buchhandel verfügbar ist. 

Gelesen habe ich die Geschichte von Unni und Kåra innerhalb weniger Tage. Gedanklich haben mich die Charaktere aber noch viel länger begleitet. Das lag unter anderem an dem ganz besonderen Schreibstil von Lina Nordquist. Die Autorin schreibt jede Szene mit einem so großen Auge für Details, sodass ich das Gefühl hatte, in der jeweiligen Situation anwesend zu sein. Dass Nordquist ein unfassbar gutes Sprachgefühl hat, stellt sie bereits in den ersten Kapiteln unter Beweis. 

Schon da musste er etwas wie Liebe empfunden haben - sonst hätte er mich wohl kaum begleitet, durch Dörfer und über Landstraßen, durch tanzenden Platzregen und gleißendes Sonnenlicht.

Ich muss an dieser Stelle auch ein großes Lob an den Übersetzer Stefan Pluschkat aussprechen. Ich hatte das Glück, ihn im Rahmen eines Übersetzungs-Workshops kennenzulernen. Dass er es geschafft hat, das Sprachtalent der Autorin ins Deutsche zu übertragen, ohne dass dabei die Sprache an Schönheit verliert, ist sehr bemerkenswert.  

Im Kontrast zu dem wundervollen Schreibstil steht der Inhalt, der mir das Lesen teilweise erschwert hat. Ich habe etwas gebraucht, um in die Geschichte zu finden und den Aufbau des Romans zu verstehen. Auch die Familienkonstellation war am Anfang verwirrend, da die Geschichte aus Unnis und Kåras Sicht erzählt wird, diese aber ständig (auch nach wenigen Seiten) hin- und herwechselt. Daher war es für mich als Leserin schwer, den Überblick zu behalten, wer nun mit wem zusammen und wer wessen Kind ist. Diese Verwirrung hat sich im Verlauf des Buches aber gelegt.

Zu Beginn des Romans habe ich auch nicht damit gerechnet, welch schwere Kost der Inhalt eigentlich sein wird. Während des Lesens musste ich das Buch immer mal wieder zur Seite legen, da mich vor allem die traurigen Szenen mit den Kindern emotional mitgenommen haben. Armut, Tod, Hungersnot, Abtreibung und Misogynie umfassen nur einen Bruchteil der Themen, die in "Mein Herz ist eine Krähe" behandelt werden. Die beiden Geschichten werden durch Roar verbunden - der Sohn von Unni und der Schwiegervater von Kåra. Meiner Meinung nach ist er die Gemeinsamkeit zwischen Unni und Kåra - weniger die Charaktereigenschaften der beiden Frauen. 

Die beiden Protagonistinnen stehen im Kontrast zueinander. Ihre Charaktere unterscheiden sich sehr stark voneinander. Unni tritt als starke, unabhängige Frau auf, die alles dafür tut, um ihre Familie versorgen zu können. Sie ist eine Kämpferin - ihrer Familie und ihr bleibt absolut nichts erspart und trotzdem dauert es lange, bis sie sich wegen ihrer Situation beklagt. Kåra hingegen jammert tagtäglich über ihren Alltag. Im ersten Moment scheint sie das komplette Gegenbild von Unni zu sein. Niemand kann es ihr recht machen und auch der Gewalt ist sie nicht abgeneigt. Wichtig ist noch hinzuzufügen, dass Kåra mit psychischen Problemen zu kämpfen hat, die ihr das alltägliche Leben erschweren. Trotz jenem Wissen konnte ich nicht viel Sympathie für die zweite Protagonistin empfinden. Mir persönlich haben auch die Kapitel, die aus Unnis Sicht verfasst wurden, besser gefallen. Ihre Lebensgeschichte hat mich mehr gefesselt und emotional abgeholt.

Das Plottwist  hat mich absolut überrascht. Niemals hätte ich damit gerechnet und trotzdem hat dieser gut in die Geschichte gepasst.                                                                       


F A Z I T

Auch wenn das Buch inhaltlich keine leichte Kost ist, ist allein der bildhafte Schreibstil ein Blick in den Roman wert!

Ich freue mich schon auf alles weitere, was wir von der Autorin lesen dürfen. Auf Schwedisch ist bereits ein zweiter Roman erschienen - ein dritter folgt im nächsten Frühjahr. Ich bin gespannt, wann Nordquists weitere Bücher im deutschen Buchhandel verfügbar sind. 

Originalcover @Romanus&Selling



















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